Pressemitteilung
Sommerinterview 2023
Landkreis Biberach - Im SZ-Sommergespräch äußern sich Vertreter der Fraktionen im Kreistag des Landkreises Biberach zu Themen, die das Gremium derzeit besonders beschäftigen. Im fünften Teil der Reihe kommt Norbert Huchler, Fraktionssprecher der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), zu Wort.
Der Landkreis muss derzeit Rekordzahlen bei den zugewiesenen Geflüchteten bewältigen. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Das ÖDP-Programm beinhaltet ja das Thema „Grenzen des Wachstums“ und auch bei den Flüchtlingen sind irgendwann die Grenzen erreicht. Dann geht die Akzeptanz in der Bevölkerung verloren. Bisher haben wir das im Landkreis gut gelöst und haben da gute Leute, die das managen. Wir haben natürlich auch das Glück gehabt, dass wir die alten Kliniken als Unterkünfte nehmen konnten. Aber wenn es so weitergeht, wird es sehr schwierig. Wenn uns das nötige Personal nicht mehr zur verfügung steht z.B. Lehrer, Kindergärtner oder sonstige Betreuer, wird es schwierig. Im Landkreis Biberach sind wir da aber nicht Herr der Lage. Die Regierung muss das Problem zeitnah lösen.
Befürchten Sie, dass politische Gruppierungen Profit aus den Sorgen der Bürger schlagen werden?
Eigentlich sollte es ja der Normalfall sein, dass sich politische Gruppierungen um die Sorgen der Bürger kümmern. Gedanken müssten sich die machen, die die Sorgen nicht ansprechen und reagieren.. Die Republikaner waren ja auch mal im Kreistag und waren dann wieder weg. Man muss sich inhaltlich mit allen auseinandersetzen. Da verstehe ich auch die aktuelle Diskussion nicht, prinzipiell zu sagen, dass ich z.B.der AfD nicht zustimme, selbst wenn sie einen guten Vorschlag macht. Wir reden im Kreistag mit allen Parteien. Wenn man das nicht mehr macht, dann hat das in meinen Augen mit Demokratie nicht mehr viel zu tun. Es wird sich schnell herausstellen, ob jemand Lösungen hat oder nicht. Wer sie nicht hat wird dann auch wieder von der Bildfläche verschwinden.
Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg haben in den vergangenen Jahren viele Themen in den Hintergrund gedrängt. Dazu gehört auch der Kampf gegen den Klimawandel. Wie sehen Sie den Landkreis hier aufgestellt?
Das Humusaufbauprogramm war von uns ein Vorschlag, wie wir lokal einen Beitrag zur CO2-Speicherung leisten können. Landwirtschaftliche Böden, die mehr Humus enthalten, nehmen wesentlich mehr Wasser auf und speichern es länger. Das mindert die Gefahr von Überschwemungen und hilft auch in Trockenperioden den Pflanzen, so dass man bei der Nahrungsversorgung besser aufgestellt wäre. Aber der Humusaufbau ist nicht ganz einfach. Hier überlegen wir gerade wie der Landkreis hier unbürokratisch einen Beitrag leisten könnte.
Energetisch ist der Kreis gut aufgestellt, da haben wir unsere Hausaufgaben weitgehend gemacht. Wenn ich aber daran denke, was zum Beispiel beim B-30-Aufstieg an Beton verbaut wird, dann konterkariert das die Bemühungen schon ein bisschen. Es wird spannend zu sehen ob in Zeiten von Homeoffice und einer schwächelnden Wirtschaft, das Projekt notwendig gewesen wäre. Aber es ist mehrheitlich beschlossen und wir tragen das natürlich jetzt mit.
Für das Haushaltsjahr 2022 hat der Landkreis zuletzt ein sehr gutes Ergebnis verkündet. Die weitere Prognose fiel dagegen weniger euphorisch aus. Die Erhöhung der Kreisumlage, aktuell die niedrigste in Baden-Württemberg, könnte ein Thema werden.
Wir gehen davon aus, dass die finanzielle Entwicklung zurückgeht, aber auch, dass der Kreis noch mehr Luft hat als die Gemeinden. Wir würden daher den Hebesatz auf dem jetzigen Niveau halten. Das muss man dann von Jahr zu Jahr entscheiden. Die aktuellen Projekte, vor allem im Bereich Straßenbau, muss man zu Ende machen und dann ein bisschen auf Sicht fahren.
Wie sehen Sie den Landkreis Biberach beim Thema Mobilität aufgestellt?
Die Stadt Biberach hat da einen guten Anfang gemacht. Das muss man im Prinzip sternförmig nach außen tragen. Es macht aber energetisch keinen Sinn, wenn Busse fahren, in denen nur zwei Leute sitzen. Auf dem Land wird der halbstündige Takt deshalb vermutlich noch lange kein Thema sein. Im Moment fehlen zudem die Busfahrer. Außerdem muss die Bahn verlässlich fahren. Denn das beste Busnetz bringt nichts, wenn die Taktung mit dem Schienenverkehr nicht passt. Unser erster Schritt sollte sein, dass man bestehende Angebote optimiert, etwa beim Schülerverkehr. Außerdem sollten wir beim Radwegeausbau vor dem Hintergrund der Elektromobilität bei den Fahrrädern nochmals eine Schippe drauflegen.
Im Landratsamt gibt es Überlegungen, in Form eines Eigenbetriebs Immobilien Wohnraum für Mitarbeiter, Auszubildende oder Geflüchtete zu schaffen. Was halten Sie von dieser Idee?
Mit eigenen Immobilien können wir uns das schon vorstellen. Bei einer Art Genossenschaft sind wir eher skeptisch. Ein Thema wäre auch das kleine Wohnen zum Beispiel in Form von Tiny Häusern. Mein Bruder ist in dem Bereich tätig und daher weiß ich, wie kompliziert hier die Genehmigungsverfahren und die Umsetzung sind. Mit diesem kleinen Wohnen hätten wir die Flächenversiegelung und den Energiebedarf wesentlich verringert. Man sollte zukünftig den Wohnraum besser an die jeweilige Lebenssituation anpassen. Bei den aktuellen Baupreisen und den hohen Zinsen wird sich das ohnehin in diese Richtung bewegen.
Welche weiteren Themen sollte der Landkreis im Blick behalten?
- Beim Thema Abfall vertreten wir mittlerweile den Standpunkt, auch nach einem Besuch der Verbrennungsanlage in Ulm, dass es besser wäre zu verbrennen, statt den Müll in dubiose Kanäle der Kreislaufwirtschaft zu geben. Bei Holz, Eisen und Papier funktioniert es. Plastikmüll wird zweimal verkauft und dann weiß man nicht mehr, was damit passiert. Vieles landet in Entwicklungs und Schwellenländern und gelangt nach einigen Jahren in Form von Mikroplastik wieder auf unseren Tellern. Und dann zahlen wir noch einen Haufen Geld dafür. Wenn wir es verbrennen, hätten wir zumindest damit noch Strom und Wärme erzeugt. Natürlich wünschen wir uns auch dass wir die Müllvermeidung und die Kreislaufwirtschaft richtig ins Laufen kriegen würden, aber die Praxis sieht seit Jahren leider anders aus, Corona hat uns da sicher auch noch mal etwas zurückgeworfen und dann sollte man sich halt der Lebenswirklichkeit stellen. Was wir immer sehr kritisch gesehen haben, ist die Biotonne. Da sind wir sehr froh über die Lösung mit dem Bringsystem. Bei unseren kleinen Mengen würde der Transport bei der Biotonne mehr Energie verbrauchen als bei der Verwertung wieder herauskommt.
- Beim Biber sind wir der Meinung, dass man sich das Geld für das Gutachten zum Biber-Management hätte sparen können und es besser den betroffenen Landwirten und Kommunen zur Verfügung gestellt hätte. Berichte und Gutachten sind ohnehin ein Bereich, in dem man aus unserer Sicht noch sparen könnte. Der Biber ist in manchen Gegenden ein Segen und in andere gehört er halt nicht rein. Und wenn man den Biber will, muss man die Betroffenen entschädigen. Ansonsten sind wir für eine pragmatische, naturverträgliche Bestandsführung.
- Das Bioessen in den Kantinen vor allem den Kreiseigenen, ist für uns als reine Biobauern-Fraktion natürlich ein Urthema. In erster Linie muss der Verbauch gesteigert werden, dann werden auch genügend Bauern auf „Bio“ umsteigen, wenn es sich wirtschaftlich rechnet. Und mit mehr Biolandbau hätte man dann viele unserer Probleme in den Bereichen Nachhaltigkeit, Biodiversität und Tierwohl gelöst. Insgesamt gilt für uns der Spruch „Ökologie ohne Ideologie“.